Das Grundsatzurteil zu Mobbing – Bundesarbeitsgericht, 8 AZR 709/06

Das Grundsatzurteil des Bundesarbeitsgerichts zu Mobbing, Schadensersatz, Schmerzensgeld, Mobbing-Definitionen und Ausschlussfristen.

Von Andreas Buschmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht

BAG, Urteil vom 16. 5. 2007 – 8 AZR 709/06

Vorinstanz: LAG Hamm, 23.03.2006 – 8 Sa 949/05

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Leitsätze:

Amtlicher Leitsatz:

In Mobbing-Fällen beginnt die Ausschlussfrist wegen der systematischen, sich aus mehreren einzelnen Handlungen zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbing-Handlung.

Orientierungssätze:

  1. Eine wirksame Ausschlussklausel, die nach ihrem Wortlaut „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis“ erfasst, umfasste nach der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Rechtslage auch Ansprüche aus vorsätzlicher Verletzung des Persönlichkeitsrechts.
  2. Mobbing ist kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage.
  3. Die rechtliche Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinungen liegt darin, dass die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte und nicht einzelne, abgrenzbare Handlungen zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des Arbeitnehmers führen.
  4. Einzelne Teilakte der als Mobbing anzusehenden Gesamthandlung können jeweils für sich betrachtet rechtlich „neutral“ sein.
  5. Die Frage, ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren ist, und ob einzelne Handlungen in der Gesamtschau einen persönlichkeitsverletzenden Charakter haben, unterliegt der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung.
  6. Neben der Haftung des Arbeitgebers für eigenes Tun kommt auch eine Haftung für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB in Betracht.
  7. An der für das Mobbing typischen, verschiedene einzelne Handlungen zusammenfassenden Systematik kann es fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die nicht zusammenwirken und die zeitlich aufeinanderfolgen, kritisiert oder schlecht beurteilt wird.
  8. Verhaltensweisen von Arbeitgebern oder Vorgesetzten, die der vermeintlich „gemobbte“ Arbeitnehmer provoziert hat, sind nicht in die Prüfung eines Mobbingverhaltens einzubeziehen.
  9. An der erforderlichen Systematik kann es auch fehlen, wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen.
  10. Die Beweislast für die Pflichtverletzung und die Kausalität trägt nach allgemeinen Grundsätzen der Arbeitnehmer. Davon ist auch in Mobbing-Fällen nicht abzuweichen.

Link zum Volltext

https://dejure.org/2007,78