Betriebsbedingte Kündigung

Die betriebsbedingte Kündigung misslingt Arbeitgebern sehr häufig. Warum? Dies liegt an den diversen Fallstricken des Kündigungsschutzrechts. Die Einzelheiten finden Sie hier.

Von Andreas Buschmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Wann ist eine betriebsbedingte Kündigung zulässig?

Gilt allgemeiner Kündigungsschutz, ist eine betriebsbedingte Arbeitgeberkündigung ist nur zulässig wenn

  • dringende betriebliche Erfordernisse einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers zu gleichen oder anderen Arbeitsbedingungen entgegenstehen,
  • der betroffene Arbeitnehmer von allen vergleichbaren Arbeitnehmern der sozial am wenigsten schutzwürdige ist und
  • auch eine umfassende – allerdings nur ausnahmsweise durchzuführende – Interessenabwägung nach ordnungsgemäßer Sozialauswahl nicht ausnahmsweise zu einem Überwiegen des Interesses des Arbeitnehmers an der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses gegenüber dem Interesse des Arbeitgebers an dessen Beendigung führt.

Weitere Rechtsanforderungen kommen hinzu.

Was ist ein Kündigungsgrund für eine betriebsbedingte Kündigung?

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gibt es einen Kündigungsgrund für die Betriebsbedingte Kündigung nur dann,  wenn  dringende betriebliche Erfordernisse vorliegen.

Erforderlich: Wegfall des Bedarfs an der Arbeitsleistung

Inner- und außerbetriebliche Umstände begründen nur dann ein dringendes betriebliches Erfordernis (§ 1 Abs. 2 KSchG) für eine Kündigung, wenn sie sich auch konkret auf die Einsatzmöglichkeit des gekündigten Arbeitnehmers auswirken. Es müssen Gründe vorliegen, die zukünftig der Möglichkeit zur weiteren Beschäftigung dauerhaft entgegenstehen. Anders ausgedrückt: Der Bedarf an der Arbeitsleistung muss dauerhaft wegfallen.

Im Kündigungsschutzprozess muss der Vortrag des Arbeitgebers erkennen lassen, ob das Bedürfnis an der Tätigkeit des gekündigten Arbeitnehmers wegfällt (BAG vom 12. April 2002 – 2 AZR 256/01 – AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 120 = EzA KSchG § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 118).

Dies hat in der Praxis wichtige Konsequenzen:

1. Stolperstein: Umsatz- und Gewinnrückgänge kein Kündigungsgrund

Was viele Arbeitgeber übersehen: Umsatz- und Gewinnrückgänge oder Sparmaßnahmen des Arbeitgebers sind für sich genommen kein Kündigungsgrund. Solche finanziellen Veränderungen sagen für sich genommen nämlich nichts darüber aus, ob auch die Arbeitsmenge sich verringert. Bei fast allen Unternehmen schwanken Umsätze und Kosten ständig, ohne dass sich gleichzeitig die zur Erledigung der täglichen Aufgaben erforderlich Arbeitsmenge ändert.

2. Stolperstein: Stellenstreichung kein Kündigungsgrund

In der Praxis kommt es immer wieder vor: Der Arbeitgeber hat eine Stelle gestrichen und will nun kündigen. Das Problem: Auch aus der Stellenstreichungen ergibt sich nicht, dass die Arbeitsmenge zukünftig weniger wird. Es vielmehr zu fragen: Was passiert mit der bisher auf der Arbeitsstelle erledigten Arbeit? Immerhin könnte es sein, dass diese Arbeit zukünftig  weiterhin erledigt werden soll, nur eben auf anderen Arbeitsstellen desselben Arbeitgebers. In solchen Fällen wird es spannend: Meist sind solche Kündigungen unwirksam.  Nach der hier sehr strengen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, können Kündigungen in solchen Fällen aber nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen ausnahmsweise wirksam sein. Faustregel für die Praxis:Wahrscheinlich ist die Kündigung unwirksam.

Bundesarbeitsgericht: Innerbetriebliche und außerbetriebliche Kündigungsgründe

Das  Bundesarbeitsgericht hat in jahrzehntelanger Rechtsprechung herausgearbeitet, wann es grundsätzlich taugliche innerbetriebliche oder außerbetriebliche Gründe für eine betriebsbedingte Kündigung gibt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (beispielsweise BAG, 17. Juni 1999 – 2 AZR 456/98 – BAGE 92, 79) können sich die betrieblichen Erfordernisse für eine  betriebsbedingte Kündigung aus

  • innerbetrieblichen Umständen (Unternehmerentscheidungen wie z.B. Rationalisierungsmaßnahmen, Umstellung oder Einschränkung der Produktion) oder
  • durch außerbetriebliche Gründe (z.B. Auftragsmangel oder Umsatzrückgang)

ergeben.

Selten: Außerbetriebliche Kündigungsgründe

Außerbetriebliche Gründe sind Vorkommnisse, die ohne weitere Verhaltensweise des Arbeitgebers zu einer Veränderung der Arbeitsmenge führen. Solche Sachverhalte sind selten. Außerbetriebliche Kündigungsgründe sind beispielsweise das Abbrennen eines Betriebs oder eine staatliche Anordnung, den Betrieb dauerhaft einzustellen. Eher seltene Vorkommnisse.

Fast immer:  Innerbetriebliche Kündigungsgründe  (Organisationsentscheidungen)

In der Regel ist es so, dass der Bedarf an einer bestimmten Arbeitsmenge sich erst dann verändert, wenn der Arbeitgeber äußere Umstände zum Anlass für Organisationsentscheidungen nimmt. Wenn die Umsetzung solcher „Unternehmerentscheidungen“ zur Folge hat, dass zukünftig der Bedarf an bestimmten Arbeitstätigkeiten nachzurückgeht oder entfällt, dann kann dies ein Kündigungsgrund für eine betriebsbedingte Kündigung sein.

Zum Entscheidungsspielraum des Arbeitgebers gehört grundsätzlich auch die Befugnis, die Zahl der Arbeitskräfte zu bestimmen, mit denen eine Arbeitsaufgabe erledigt werden soll (BAG 7. Mai 1998 – 2 AZR 536/97 – BAGE 88, 363; 17. Juni 1999 – 2 AZR 522/98 – BAGE 92, 61; Kühling AuR 2003, 92). Eine solche Unternehmerentscheidung unterliegt grundsätzlich nur einer Missbrauchskontrolle durch die Arbeitsgerichte.

Überprüfung der Kündigung durch die  Arbeitsgerichte

Die Arbeitsgerichte haben insbesondere zu prüfen:

  1. Ob und wann vor der Kündigung eine unternehmerische Entscheidung tatsächlich getroffen wurde.
  2. Ob die behauptete Organisationsmaßnahme ernst gemeint oder nur vorgeschoben war. Gegen die Ernsthaftigkeit  spricht es, wenn die Organisationsmaßnahme in der Praxis nicht umgesetzt wird.
  3.  Zu überprüfen haben die Arbeitsgerichte insbesondere, ob die Umsetzung der Organisationsentscheidung tatsächlich dazu führt, dass der Beschäftigungsbedarf für den gekündigten Arbeitnehmer entfällt. Es darf nach der Umsetzung nicht möglich sein, den Arbeitnehmer zu den bisherigen oder auch geänderten Arbeitsbedingungen weiter einzusetzen.
  4. Unternehmerische Entscheidungen, die zu Verstößen gegen Arbeitnehmerschutz führen, sind kein zulässiger Kündigungsgrund.  Unzulässig ist es danach insbesondere, Arbeitsaufgaben betriebsintern so neu zu verteilen, dass die übernehmenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer entweder Überstunden machen müssen, oder die vereinbarte Menge der Arbeitszeit im Arbeitsvertrag erhöht werden muss.

Im Kündigungsschutzprozess muss der Arbeitgeber dem Arbeitsgericht das Zustandekommen der Unternehmerentscheidung und die organisatorische Durchführbarkeit und Nachhaltigkeit seiner Organisationsmaßnahme mit den erforderlichen Daten und Zahlen im Detail nachvollziehbar darstellen. Dies misslingt häufig, weil die Anforderungen unterschätzt werden:

  1. Beispiel 1: Der allgemeine Beschluss, Personalkosten zu senken, erfüllt die Anforderungen nicht.
  2. Beispiel 2: Rückläufige Finanzkennzahlen (Umsatz, Gewinn) besagen noch nichts über die Veränderung der zu erledigenden Arbeitsmenge und können eine betriebsbedingte Kündigung nicht rechtfertigen.
  3. Beispiel 3: Läuft die unternehmerische Entscheidung auf den Abbau einer Hierarchieebene hinaus, verbunden mit einer Neuverteilung der dem betroffenen Arbeitnehmer bisher zugewiesenen Aufgaben, muss der Arbeitgeber konkret darlegen, in welchem Umfang die bisher vom Arbeitnehmer ausgeübten Tätigkeiten zukünftig im Vergleich zum bisherigen Zustand entfallen. Er muss auf Grund seiner unternehmerischen Vorgaben die zukünftige Entwicklung der Arbeitsmenge anhand einer näher konkretisierten Prognose darstellen und angeben, wie die anfallenden Arbeiten vom verbliebenen Personal ohne überobligationsmäßige Leistungen erledigt werden können. Sind nach wie vor im Wesentlichen die gleichen Aufgaben zu verrichten und ist der derzeitige Arbeitsplatzinhaber zur Erledigung dieser Arbeiten persönlich und fachlich geeignet, so ist eine betriebsbedingte Kündigung selbst dann nicht sozial gerechtfertigt, wenn es sich bei den neu eingerichteten Arbeitsplätzen in der anderen Betriebsabteilung um Beförderungsstellen handelt (BAG 10.11.1994 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 77).
  4. Beispiel 4: Betrifft die Unternehmerentscheidung eine erst künftige Entwicklung der betrieblichen Verhältnisse, so kann eine betriebsbedingte Kündigung sie erst ausgesprochen werden, wenn die betrieblichen Umstände konkrete und greifbare Formen angenommen haben.

Nächster Schritt: Sozialauswahl

Ist einem Arbeitnehmer nach alledem aus dringenden betrieblichen Erfordernissen gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem unwirksam, wenn der Arbeitgeber die arbeitsrechtlich schwierige Sozialauswahl nicht ordnungsgemäß durchgeführt hat.