Stellenanzeige & Arbeitgeber-Haftung

Der Arbeitgeber darf Stellenanzeigen grundsätzlich nur geschlechtsneutral formulieren. Ist eine Stellenanzeige nur für männliche oder nur für weibliche Bewerber formuliert können abgelehnte Stellenbewerber oft mit guten Aussichten eine hohe Entschädigung verlangen – und zwar jeder sachlich geeignete Bewerber, der dem in der Anzeige nicht genannten Geschlecht angehört.

Von Andreas Buschmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Arbeitgeberfalle: Die nicht geschlechtsneutrale Stellenanzeige

Gibt der Arbeitgeber eine Stellenanzeige unzulässig nur für ein Geschlecht formuliert auf, kann grundsätzlich jeder abgelehnte Stellenbewerber, der persönlich und fachlich geeignet war, eine Entschädigung verlangen. Dies folgt aus § 611 a BGB. Hiernach darf ein Arbeitgeber einen Arbeitnehmer im Einstellungsverfahren nicht wegen seines Geschlechts benachteiligen. Verstößt der Arbeitgeber gegen dieses Benachteiligungsverbot, kann jeder hierdurch benachteiligte Bewerber eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen; ein Anspruch auf Begründung eines Arbeitsverhältnisses besteht nicht. Der Arbeitgeber wird vermutlich nicht ohne weiteres bereit sein, größere Summen Entschädigung an abgelehnte Bewerber zu zahlen. Allerdings – die Prozessaussichten abgelehnter Stellenbewerber sind oft bestens:

Die Prozessaussichten des abgelehnten Stellenbewerbers

Die Prozessaussichten eines ablehnten aber prinzipiell geeigneten Stellenbewerbers lassen sich nur als erstklassig bezeichnen, wenn der Arbeitgeber so unvorsichtig war, eine nicht geschlechtsneutrale Stellenanzeige zu schalten. Das Bundesarbeitsgericht hat mit zwei Urteilen zur Entschädigung wegen Geschlechtsbenachteiligung bei Einstellungen Stellung genommen (BAG vom 27.04.2000, 8 AZR 295/99 und vom 5.02.2004, 8 AZR 112/03): Danach gilt für das Verfahren in einem Arbeitsgerichtsprozess wegen einer Entschädigung nach § 611 a BGB Folgendes:

Der abgelehnte Bewerber, der eine Entschädigung nach § 611a Abs. 1 BGB geltend macht, muss im Arbeitsgerichtsprozess zunächst nur Tatsachen darlegen, die eine Benachteiligung wegen des Geschlechts als wahrscheinlich erscheinen lassen. Solche Vermutungstatsachen können in Äußerungen des Arbeitgebers bzw. anderen Verfahrenshandlungen begründet sein, die die Annahme einer Benachteiligung wegen des Geschlechts nahe legen. Bei einer nicht geschlechtsneutral abgefassten Stellenanzeigehat der abgelehnte Bewerber es leicht. Eine gegen § 611b BGB verstoßende geschlechtsspezifische Stellenausschreibung begründet für die Arbeitsgerichte nämlich ganz grundsätzlich die Vermutung, dass der Bewerber wegen seines Geschlechts benachteiligt worden ist – unabhängig davon, ob noch verschiedene andere Gründe für die Ablehnung maßgeblich waren. Bedient sich der Arbeitgeber zur Stellenausschreibung eines Dritten, zum Beispiel eines Stellenvermittlers, wie der Bundesagentur für Arbeit, ist die Anzeige dem Arbeitgeber dennoch zuzurechnen, es sei denn der Arbeitgeber beweist, dass er die Stellenanzeige in dieser Form nicht veranlasst oder zu verantworten hat. Der Arbeitgeber, der eine Stellenanzeige aufgibt, ist für eine unzutreffende Anzeigenfassung auch dann verantwortlich, wenn die Fassung zwar nicht von ihm stammt, er die inhaltliche Gestaltung der Anzeige aber nicht überwacht hat.

Kann der abgelehnte Bewerber eine geschlechtsspezifische Stellenanzeige oder andere Vermutungstatsachen vorweisen, muss der Arbeitgeber den vollen Beweis führen, dass die Benachteiligung aus rechtlich zulässigen Gründen erfolgte. Dem Arbeitgeber stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

Eine unterschiedliche Behandlung wegen des Geschlechts ist ausnahmsweise zulässig, soweit für die die vom Arbeitnehmer auszuübenden Tätigkeit ein bestimmtes Geschlecht aus bestimmten rechtlich anerkennenswerten Gründen „unverzichtbare Voraussetzung“ ist (§ 611 a Abs. 1 Satz 2 BGB; Art. 2 Abs. 2 der Gleichbehandlungsrichtlinie 76/207/EWG vom 9. Februar 1976). Dies ist so gut wie nie der Fall.

Der Arbeitgeber kann darlegen, dass er entgegen einem veröffentlichten Stellenangebot das Auswahlverfahren zur Besetzung der Stelle in Wirklichkeit geschlechtsneutral durchgeführt hat. Für die Behauptung, er habe das Auswahlverfahren geschlechtsneutral durchgeführt, muss der Arbeitgeber konkrete geeignete Tatsachen anführen und beweisen. So kann der Arbeitgeber zum Beispiel darlegen, dass er den Stellenbewerber oder andere Bewerber des in der Stellenanzeige nicht angesprochenen Geschlechts zum Vorstellungsgespräch eingeladen oder von ihnen weitere Unterlagen zur näheren Prüfung angefordert habe.

Der Arbeitgeber hat sich erst dann entlastet, wenn ausgeschlossen werden kann, das Geschlecht für die Auswahlentscheidung möglicherweise eine Rolle spielte.

Der Arbeitgeber kann erfolgreich einzuwenden, der Stellenbewerber sei weder objektiv noch subjektiv für die offene Stelle geeignet oder der Bewerber habe sich gar nicht ernsthaft um die Stelle beworben. Diese Einwände sind vom Gericht nur zu beachten, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitsgericht hierfür ausreichende Tatsachen vorträgt. Die schlechtere Eignung eines Bewerbers schließt nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts eine Benachteiligung aber noch nicht aus, weil nämlich nicht allein der bestplatzierte Bewerber durch sein Geschlecht benachteiligt worden sein kann (BAG 27. April 2000 – 8 AZR 295/99).

Ist dem Arbeitgeber hiernach eine Entlastung nicht gelungen, kann ein Entschädigungsanspruch dennoch ausgeschlossen sein, wenn der Bewerber die vorgesehenen Fristen zur Geltendmachung und Klage versäumt hat:

Ist auch Frist gewahrt, geht es um die Höhe der Entschädigung:

Dem Bewerber steht eine angemessene Entschädigung zu. Geringes Engagement bei der Bewerbung kann zu Lasten des Bewerbers gehen. Wäre der Bewerber auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden, gilt für die Höhe der Entschädigung eine Kappungsgrenze von drei Monatsverdiensten (§ 611 a III BGB).

Fazit

Die Entschädigungsregelung soll Arbeitgeber von Geschlechtsdiskriminierungen abhalten. Die Höhe des Risikos soll Arbeitgeber abschrecken und Geschlechtsbenachteiligungen so von vornherein verhindern. Der Umfang des wirtschaftlichen Risikos des Arbeitgebers erschließt sich erst, wenn man bedenkt, dass grundsätzlich jederabgelehnte Stellenbewerber möglicherweise erfolgreich eine Entschädigung geltend machen kann.