Eine betriebsbedingte Änderungskündigung steht meist dann an, wenn der Arbeitgeber sich aus wirtschaftlichen Gründen zu Umstrukturierungen veranlasst sieht.
Von Andreas Buschmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Übersicht
Was ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung?
Die Änderungskündigung wird in den meisten Fällen betriebsbedingt begründet. Hier gilt folgendes: Steht dem Arbeitnehmer Änderungskündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG) zu, ist die Änderungskündigung nur zulässig, wenn die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertigt ist (§§ 2, 1 KSchG).
Wann ist eine betriebsbedingte Änderungskündigung erlaubt?
Arbeitgeber gehen wegen der verschiedenen Unwägbarkeiten einer Änderungskündigung oft ein hohes Risiko ein, insbesondere wenn sie Änderungskündigungen gegenüber einer Vielzahl von Arbeitnehmern gleichzeitig abgeben, um auf diesem Weg eine Umstrukturierung umzusetzen. Besonders fehlerträchtig sind die oft anzutreffenden Versuche, während einer Unternehmenskrise gegenüber Arbeitnehmern eine Herabsetzung von Lohn oder Gehalt durch Änderungskündigung erzwingen zu wollen oder „kostenlose“ Überstunden zu vereinbaren.
Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nicht schon deshalb berechtigt, weil ein bestimmter Arbeitsplatz wegfällt. Es kommt für die betriebsbedingte Änderungskündigung vielmehr darauf an, ob sich der Arbeitgeber zu einer Umorganisation entschlossen hat, bei deren Umsetzung das Bedürfnis für die Weiterbeschäftigung eines oder mehrerer Arbeitnehmer überhaupt oder unter Zugrundelegung des Vertragsinhalts für den bisherigen Einsatz entfällt (BAG 28, 131, 133 = AP Nr. 2 zu § 1 KSchG1969 Betriebsbedingte Kündigung [II 2 der Gründe]; BAG 31, 157, 161 = AP Nr. 6 zu § 1 KSchG1969 Betriebsbedingte Kündigung [II 1a der Gründe]).
Liegt eine solche unternehmerische Entscheidung vor, so ist diese selbst nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung und ihre Zweckmäßigkeit zu überprüfen, sondern nur darauf, ob sie offenbar unvernünftig oder willkürlich ist. Im Streitfall hat der Arbeitgeber den Arbeitsgerichten im Einzelnen zu schildern, dass und wie die Durchführung des unternehmerischen Organisationsaktes zu einem Wegfall der bisherigen Beschäftigungsmöglichkeit führt.
Ausgewählte Fallgruppen zur betriebsbedingten Änderungskündigung
Änderungskündigung zur Gehaltsabsenkung
In der Unternehmenskrise müssen sich Arbeitgeber fragen, ob eine betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Ziel der Herabsetzung der Löhne und Gehälter zulässig ist. Das Bundesarbeitsgericht hat hierzu mehrfach entschieden, dies für möglich gehalten aber äußerst strenge Voraussetzungen aufgestellt. Das Bundesarbeitsgericht hat zu seinem Urteil vom 16.05.2002 – 2 AZR 292/01 folgende Orientierungssätze aufgestellt:
2. Hat sich die bisherige Tätigkeit des Arbeitnehmers nicht verändert, so ist eine – isolierte – Reduzierung der vereinbarten Vergütung durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig.
3. Grundsätzlich sind einmal geschlossene Verträge einzuhalten. Ein Geldmangel allein kann den Schuldner nicht entlasten. Die Dringlichkeit eines schwerwiegenden Eingriffs in das Leistungs-/Lohngefüge, wie es die Änderungskündigung zur Durchsetzung einer erheblichen Lohnsenkung darstellt, ist deshalb nur begründet, wenn bei Aufrechterhaltung der bisherigen Personalkostenstruktur weitere, betrieblich nicht mehr auffangbare Verluste entstehen, die absehbar zu einer Reduzierung der Belegschaft oder sogar zu einer Schließung des Betriebes führen. Regelmäßig setzt deshalb eine solche Situation einen umfassenden Sanierungsplan voraus, der alle gegenüber der beabsichtigten Änderungskündigung milderen Mittel ausschöpft.
4. Dem Arbeitgeber, der mit einzelnen Arbeitnehmern einzelvertraglich eine höhere Vergütung vereinbart hat, als sie dem betrieblichen Niveau entspricht, ist es verwehrt, die Vergütung unter Berufung auf den Gleichbehandlungsgrundsatz dem (niedrigeren) Entgelt der übrigen Arbeitnehmer anzupassen. Der Gleichbehandlungsgrundsatz dient allein zur Begründung von Rechten, nicht aber zu deren Einschränkung. 5. Eine Befugnis des Arbeitgebers zum vertraglich nicht vorbehaltenen Widerruf einer Zulage kann nicht auf einen Wegfall der Geschäftsgrundlage der Vergütungsvereinbarung gestützt werden. Soweit der Wegfall der Geschäftsgrundlage eine Änderung der Arbeitsbedingungen notwendig macht, hat der Arbeitgeber eine Änderungskündigung auszusprechen.
Mit Urteil vom 20.08.1998 – 2 AZR 84/98 hatte das Bundesarbeitsgericht folgende Grundsätze zur Durchführung einer Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung aufgestellt:
2. Ist eine Entgeltkürzung mittels Änderungskündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse gerechtfertigt, so ist der Arbeitgeber regelmäßig nicht berechtigt, einzelne Arbeitnehmer, auch nicht allein die Arbeitnehmer einer mit Verlust arbeitenden Abteilung, herauszugreifen und ihr Entgelt einschneidend zu kürzen, während das Entgelt der überwiegenden Mehrzahl der Belegschaft unangetastet bleibt. 3. Wird eine Entgeltkürzung nur mit vorübergehenden wirtschaftlichen Verlusten begründet, müssen die Arbeitnehmer jedenfalls billigerweise keine Entgeltsenkung auf Dauer hinnehmen.
Änderungskündigung zur Reduzierung der Arbeitszeit
Ein anderes Thema ist die Verkürzung der Arbeitszeit. Verringert sich infolge einer zulässigen Rationalisierungsmaßnahme das Arbeitsvolumen und entfällt damit das Bedürfnis für die weitere Beschäftigung einzelner Arbeitnehmer, kann der Arbeitgeber entscheiden, ob er die verbleibende Arbeitsmenge nur mit Vollzeitkräften oder auch ganz oder teilweise mit Teilzeitkräften durchführen will (BAG 19.5.1993 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 73; LAG Chemnitz 6.4.1993 LAGE § 2 KSchG Nr. 13; APS/Künzl § 2 KSchG Rz. 237). Der Arbeitgeber kann den Personalbestand entweder durch Ausspruch von Beendigungskündigungen anpassen oder die Arbeitszeit für alle oder einzelne Arbeitnehmer durch Ausspruch einer Änderungskündigung verringern. Allerdings ist zu beachten, dass eine betriebsbedingte Änderungskündigung, die auf eine tarifwidrige Arbeitszeitgestaltung abzielt unzulässig ist (BAG Urteil vom 18.12.1997 – 2 AZR 709/96).
Änderungskündigung zur Erhöhung der Arbeitszeit
Soll wegen erhöhten Produktionsaufkommens künftig in mehreren Schichten oder in Wechselschicht gearbeitet werden, stellt dies eine im Ermessen des Arbeitgebers stehende, grundsätzlich nur beschränkt überprüfbare Unternehmerentscheidung dar. Sofern das unternehmerische Konzept nicht in anderer Weise erreicht werden kann, ist es möglich, gegenüber denjenigen Arbeitnehmern, die nicht freiwillig zu einem Einsatz in Wechselschicht bereit sind, eine Änderungskündigung auszusprechen (BAG 18.1.1990 – 2 AZR 183/89). Dasselbe gilt, wenn im Betrieb künftig auch samstags gearbeitet werden soll und der Arbeitgeber mit der Änderungskündigung die bislang fehlende Bereitschaft der Arbeitnehmer dazu erreichen will; das neue System darf allerdings keine Umgehung des Kündigungsschutzes darstellen (LAG Brandenburg 24.10.1996 NZA-RR 1997, 127).
Änderungskündigung zur Einführung eines neuen Arbeitszeitsystems
Eine Änderung der Arbeitszeit zur Einführung eines neuen Arbeitszeitsystems kann den Arbeitgeber berechtigen eine betriebsbedingte Änderungskündigung auszusprechen. Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist gerechtfertigt, wenn die zu erledigende Arbeit nach dem neuen organisatorischen Konzept des Arbeitgebers nur bei geänderter Arbeitszeit sinnvoll erledigt werden kann (BAG 19.5.1993 EzA § 1 KSchG Betriebsbedingte Kündigung Nr. 73). Eine betriebsbedingte Änderungskündigung zur Herabsetzung der Arbeitszeit ist aber dann sozialwidrig, wenn sich der Bedarf an einer bestimmten Arbeitsleistungen sich nicht ändert (LAG Rheinland-Pfalz 26.5.1981 ArbuR 1982, 91) oder die Umsetzung der organisatorischen Veränderungen nicht zur Veränderung der Dauer und/oder Lage der Arbeitszeit führen (APS/Künzl § 2 KSchG Rz. 239).
Änderungskündigung zur Durchsetzung von Freizeitausgleich
Entschließt sich der Arbeitgeber, Mehrarbeit verstärkt durch Freizeitausgleich abzugelten, so kann dies je nach den Umständen eine betriebsbedingte Änderungskündigung mit dem Ziel sozial rechtfertigen, von der vereinbarten pauschalierten Mehrarbeitsvergütung zur «Spitzabrechnung » der tatsächlich geleisteten Mehrarbeit überzugehen (BAG 23.11.2000 – 2 AZR 547/99 – EzA § 2 KSchG Nr. 40).
Änderungskündigung zur nachträglichen Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses
Sogar die nachträgliche Befristung eines zunächst auf unbestimmte Zeit eingegangenen Arbeitsverhältnisses kann im Wege der Änderungskündigung erfolgen (BAG vom 25.04.1996 – 2 AZR 609/95 Aufgabe der Senatsrechtsprechung Urteil vom 17. Mai 1984 – 2 AZR 109/83 – BAG 46, 191 = AP Nr. 21 zu § 1 KSchG1969 Betriebsbedingte Kündigung).
Stolpersteine für den Arbeitgeber
Die Änderung der Arbeitsbedingungen ist allerdings unwirksam, wenn die Befristung nicht aus sachlichen Gründen gerechtfertigt ist oder mit der Änderungskündigung ein rechtswidriger Zustand erreicht oder die angestrebte Änderung gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt.
Wie gründlich und für den Arbeitgeber unvorhergesehen eine betriebsbedingte Änderungskündigung schief gehen kann zeigt der Leitsatz des Urteils des Bundesarbeitsgerichts vom 03.07.2003, 2 AZR 617/02:
Ein Änderungsangebot, dessen Inhalt den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt, widerspricht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es muss vom Arbeitnehmer nicht billigerweise hingenommen werden und führt zur Unwirksamkeit der Änderungskündigung nach § 2 Satz 1 KSchG iVm § 1 Abs. 2 KSchG
Wer sich mit einer Änderungskündigung beschäftigen muss, kann meist hilfreiche Hinweise aus einem „verwandten“ Problembereich beziehen. Für die Änderungskündigung geltend nämlich in vielfacher Hinsicht dieselben Maßstäbe, wie bei „normaler“ Kündigung und Kündigungsschutz.