Der gesetzliche Kündigungsschutz für Arbeitnehmer (Kündigungsschutzgesetz) führt dazu, dass die Kündigung durch Arbeitgeber oft nur zulässig ist, wenn ein Kündigungsgrund vorliegt. Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und weitere Gesetze vermitteln Arbeitnehmern weitgehenden Kündigungsschutz. Die zahlreichen Fallstricke des Kündigungsschutzes haben zur Folge, dass Kündigungen von Arbeitgebern vor den Arbeitsgerichten oft keine Gnade finden. Kündigungsschutzprozesse gehen in der Praxis sehr häufig zu Ungunsten der Arbeitgeber aus. Arbeitgeber sind deshalb in der Praxis vielfach gezwungen, Arbeitnehmern eine Abfindung zuzusagen, weil nur so eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses herbeigeführt werden kann. Hier erhalten Sie eine Übersicht über den gesetzlichen Kündigungsschutz.
Von Andreas Buschmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht
Übersicht
Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist rechtlich gesehen eine Erklärung der einen Partei des Arbeitsverhältnisses an die andere Partei, das Arbeitsverhältnis einseitig fristlos oder zu einem bestimmten Endtermin beenden zu wollen. Die Kündigung ist dazu bestimmt, das auf Dauer angelegte Arbeitsverhältnis einseitig zu beenden. Die Wirksamkeit einer Kündigung erfordert deshalb keine Einwilligung oder Zustimmung des Kündigungsempfängers. Allerdings gelten für die Wirksamkeit der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses einer ganze Reihe rechtlicher Anforderungen:
Wann ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses erlaubt?
Bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sind nach deutschem Recht eine Vielzahl gesetzlicher Vorschriften zu beachten. Die Vorschriften zum Kündigungsschutz sind unübersichtlich und können auch von Experten im Kündigungsschutzrecht in den Einzelheiten kaum mehr überschaut werden. Es empfiehlt sich, rechtzeitig einen arbeitsrechtlich spezialisierten Rechtsanwalt, etwa einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen.
Vor der Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber sind der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz, eine Mehrzahl einzelner arbeitsrechtlicher Kündigungsverbotsgesetze, Kündigungsbeschränkungen und behördliche Zustimmungserfordernisse bei der Kündigung von Arbeitnehmern zu prüfen. Dies betrifft insbesondere die Fälle, in denen Arbeitnehmer besonderen Personengruppen angehören (z.B. Betriebsratsmitglieder, Schwangere, Arbeitnehmer in Elternzeit, Schwerbehinderte, Wehrdienstleistende, Zivildienstleistende u.a.).
Checkliste Kündigungsschutz
Vor der Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist mindestens Folgendes zu prüfen:
- Gibt es einen Ausschluss der ordentlichen Kündigung durch Arbeitsvertrag, Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder eine andere Regelung?
- Allgemeiner Kündigungsschutz: Greift allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz ein? Wenn ja: Gibt es einen genügenden Kündigungsgrund?
- Die Kündigung darf nicht gegen Verbotsgesetze verstoßen und nicht nach allgemeinen Vorschriften verboten sein. Wenn der Arbeitgeber ein Kleinbetrieb ist und allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz deshalb nicht gilt: Sehen die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze über den Kündigungsschutz im Kleinbetrieb der Kündigung entgegen?
- Sonderkündigungsschutz für bestimmte Personengruppen: Ist vor der Kündigung die Zustimmung einer Behörde erforderlich? Gibt es genügende Gründe, um die zuständige Behörde zur Zustimmung zur Kündigung zu veranlassen?
- Ist für die Kündigung die vorherige Zustimmung oder Anhörung des Betriebsrats, Personalrats oder einer anderen Stelle erforderlich?
- Handelt es sich um eine Massenentlassung, bei der vor der Kündigung bestimmte Verhandlungen mit der Agentur für Arbeit zu führen sind?
Ausschluss der ordentlichen Kündigung
Ein Ausschluss der ordentlichen Kündigung ist in der Rechtspraxis die Ausnahme, kommt aber vor. Typische Fälle, in denen ein vereinbarter Kündigungsausschluss eingreift sind:
- Befristeter Arbeitsvertrag ohne Kündigungsvorbehalt im Arbeitsvertrag
- Rationalisierungsschutz mit tarifvertraglichem Kündigungsschutz durch Tarifvertrag, § 41 TVG, Beispiele: §§ 53 II, 55 BAT oder Rationalisierungsschutzabkommen
- Kündigungsschutz durch Betriebsvereinbarung in den Grenzen des § 77 III BetrVG
- Vereinbarter Kündigungsschutz im Arbeitsvertrag
Die in einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vereinbarten Kündigungsbeschränkungen vermitteln meist nur Kündigungsschutz gegen eine betriebsbedingte Kündigung, also nicht gegen eine personenbedingte oder verhaltensbedingte Kündigung. Zu beachten ist, dass die außerordentliche („fristlose“)Kündigung – etwa wegen schwerwiegenden Fehlverhaltens – rechtlich nicht ausgeschlossen werden kann.
Allgemeiner Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz (KSchG)
Bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat und die nicht in einem Kleinbetrieb oder bestimmten Ausnahmebetrieben (§ 23 Kündigungsschutzgesetz – KSchG) beschäftigt sind, ist nach § 1 Kündigungsschutzgesetz eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses nur zulässig, wenn die Kündigung „sozial gerechtfertigt“ ist. Das Kündigungsschutzgesetz gewährt unter bestimmten Voraussetzungen, die im Wesentlichen von der Betriebsgröße und der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängig sind, einen gewissen Schutz des Arbeitnehmers vor Kündigungen (allgemeiner Kündigungsschutz). Gekündigt werden kann bei Anwendbarkeit von allgemeinem Kündigungsschutz nur, wenn ein im Kündigungsschutzgesetz vorgesehener Kündigungsgrund die Kündigung erlaubt. Nach § 1 Kündigungsschutzgesetz kommt als Kündigungsgrund folgendes in Frage:
- Gründe in der Person des Arbeitnehmers rechtfertigen die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (personenbedingte Kündigung, z.B. als krankheitsbedingte Kündigung)
- Das Verhalten des Arbeitnehmers rechtfertigt die Kündigung des Arbeitsverhältnisses (verhaltensbedingte Kündigung wegen Fehlverhaltens)
- Dringende betriebliche Erfordernisse stehen einer Weiterbeschäftigung im Betrieb dauerhaft entgegen (betriebsbedingte Kündigung).
Die Unwirksamkeit der Kündigung wegen allgemeinem Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz wird an späterer Stelle genauer beschrieben.
Kündigungsschutz durch andere Verbotsgesetze
Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber gilt gleichermaßen, dass die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht gegen bestimmte Verbotsgesetzte verstoßen darf und nicht sittenwidrig oder treuwidrig sein darf, was aber nur seltenen Ausnahmefällen so sein wird.
- Kündigungsschutz kann sich auch durch verschiedene arbeitsrechtliche Verbotsgesetze ergeben. Dies sind insbesondere:
- Keine geschlechtsbezogene Diskriminierung durch die Kündigung
- Keine verbotene Maßregelung durch die Kündigung, weil der Arbeitnehmer in zulässiger Weise seine Rechte ausgeübt hat, §612 a BGB
- Keine Kündigung wegen eines Betriebsübergangs oder Betriebsteilübergangs, § 613 a BGB
- Nichtigkeit der Kündigung nach allgemeinen Gesetzen:
- Ausnahmsweise Sittenwidrigkeit der Kündigung, §138 BGB
- Ausnahmsweise Treuwidrigkeit der Kündigung, §242 BGB
- Kein Verstoß gegen die Grundsätze über den Kündigungsschutz im Kleinbetrieb nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts:
- Auch in Kleinbetrieben müssen beim Ausspruch von Kündigungen die im Gesetz genannten sozialen Gesichtspunkte berücksichtigt werden. Obwohl das Kündigungsschutzgesetz auf diese Betriebe keine Anwendung findet, ist ein Mindestmaß an sozialer Rücksichtnahme zu wahren. Kündigungen dürfen weder sittenwidrig sein noch gegen Treu und Glauben verstoßen. Im Rahmen einer Interessenabwägung kommt der unternehmerischen Freiheit des Arbeitgebers aber ein erhebliches Gewicht zu (BAG, Urteil v.21.2.2001, 2 AZR 15/00), sodass Kündigungen in Kleinbetrieben, wenn kein besonderer Kündigungsschutz besteht, in aller Regel wirksam sind.
Sonderkündigungsschutz für bestimmte Personengruppen
Bei besonderen Personengruppen kann Sonderkündigungsschutz der Kündigung entgegensehen. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass bestimmte Personengruppen besonders schutzbedürftig sind. Er hat ihren Kündigungsschutz erweitert und die Kündigung von einer behördlichen Zustimmung abhängig gemacht oder sie auf bestimmte Tatbestände beschränkt. Bei Sonderkündigungsschutz ist grundsätzlich die vorherige Zustimmung zur Kündigung durch bestimmte Stellen einzuholen. Sonderkündigungsschutz haben insbesondere folgende Personengruppen:
- Betriebsverfassungsorgane, Betriebsrat, Personalratsmitglieder (§ 15 KSchG)
- Sonderkündigungsschutz bei Schwerbehinderung (Schwerbehindertengesetz, ab 01.07.2001: SGB IX),
- Sonderkündigungsschutz bei Schwangerschaft und Entbindung (Mutterschutz, § 9 MuSchG),
- Sonderkündigungsschutz bei Elternzeit (früher: Erziehungsurlaub, §§ 18, 21 BErzGG)
- Sonderkündigungsschutz für Auszubildende, § 15 BBiG
- Sonderkündigungsschutz bei Wehrdienst (§ 2 Arbeitsplatzschutzgesetz),
- Sonderkündigungsschutz bei Zivildienst (§ 78 Zivildienstgesetz)
- Sonderkündigungsschutz bei Eignungsübungsgesetz (§ 2 Eignungsübungsgesetz),
- Sonderkündigungsschutz bei Zivilschutz (§ 9 Gesetz über den Zivilschutz)
- Sonderkündigungsschutz bei Katastrophenschutz (§ 9 Gesetz über den Katastrophenschutz)
- Sonderkündigungsschutz bei Heimkehrer (§ 8 HeimkehrerG),
- Sonderkündigungsschutz für Mitglieder von Landesgesetze über den Schutz politisch Verfolgter
- Sonderkündigungsschutz für Kämpfer gegen den Faschismus (§ 58 AGB-DDR)
- Ländergesetze über Bergmannsversorgungsscheine (NRW, Saarland, Niedersachsen)
Kündigungsschutz bei Massenentlassungen
Der Arbeitgeber ist gemäß §17 Abs.1 KSchG verpflichtet, der Agentur für Arbeit Anzeige zu erstatten, bevor er
- in Betrieben mit in der Regel mehr als 20 und weniger als 60 Arbeitnehmern mehr als fünf Arbeitnehmer,
- in Betrieben mit in der Regel mindestens 60 und weniger als 500 Arbeitnehmern 10% der im Betrieb regelmäßig beschäftigten Arbeitnehmer oder aber mehr als 25 Arbeitnehmer,
- in Betrieben mit in der Regel mindestens 500 Arbeitnehmern mindestens 30 Arbeitnehmer innerhalb von 30 Kalendertagen entlässt.
Nach dem Rechtsverständnis bis zum Jahr 2005 war die „Entlassung“ nicht der Ausspruch der Kündigung, sondern das Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb, meist zum Ablauf der Kündigungsfrist. Nach diesem bisherigen Verständnis richte sich die Anzeigepflicht des Arbeitgebers war nicht nach der der ausgesprochenen Kündigungen, sondern nach der Zahl der Arbeitnehmer, die innerhalb des 30-Tage-Zeitraums aus dem Betrieb ausschieden. Ein Arbeitgeber konnte so um die Anzeigepflicht selbst bei einer größeren Kündigungswelle mit gleichzeitig ausgesprochenen Kündigungen herumkommen, wenn nur der Zeitpunkt des Ausscheidens aus dem Betrieb möglichst „verteilt“ stattfand. Dem hat nun der EuGH widersprochen und entschieden, dass der Begriff der Entlassung im Sinne der dem deutschen Recht zugrunde liegenden Massenentlassungsrichtlinie 98/59/EG dahin zu verstehen ist, dass die Kündigungserklärung das Ereignis ist, das als Entlassung gilt. Unterbleibt die Massenentlassungsanzeige oder ist sie rechtsunwirksam, weil eine zwingende Muss-Voraussetzung fehlt, ist die Kündigung nach der neueren Rechtsprechung des EuGH unwirksam. Die Unwirksamkeit der Entlassung wirkt sich auf das Arbeitsverhältnis der jeweiligen Arbeitnehmer aber lediglich dann aus, falls der Arbeitnehmer sich auf die Unwirksamkeit auch beruft.
Wie geht es weiter?
Wer wissen will, ob eine Kündigung möglich ist, wird zunächst überprüfen müssen, ob gesetzlicher Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz eingreift. Häufigster gesetzlicher Kündigungsgrund ist die betriebsbedingte Kündigung nach § 1 Kündigungsschutzgesetz.