Fristlose Kündigung

Die frist­lo­se Kün­di­gung ist nur in Aus­nah­me­fäl­len erlaubt. Frist­los kün­di­gen darf nur, wer hier­für schwer­wie­gen­de Grün­de hat. Wie die frist­lo­se Kün­di­gung funk­tio­niert und wie Sie Ihre Rech­te erfolg­reich durch­set­zen lesen Sie hier.

Was ist eine fristlose Kündigung?

Ein Arbeitsverhältnis darf ausnahmsweise fristlos gekündigt werden, wenn

  • ein wichtiger Grund vorliegt und
  • die Einhaltung der Kündigungsfrist unzumutbar ist.

Die Praxis zeigt: Fristlos gekündigte Arbeitnehmer haben in der Regel gute Chancen, sich mit einer Kündigungsschutzklage erfolgreich gegen die fristlose Kündigung durchzusetzen.

Die gravierenden Konsequenzen der fristlosen Kündigung

Bei der fristlosen Kündigung steht für alle Beteiligten einiges auf dem Spiel.

Dies gilt vor allem für den Arbeitnehmer. Die Konsequenzen einer fristlosen Kündigung sind schwerwiegend. Arbeitnehmern kann nur geraten werden, sich gegen eine fristlose Kündigung zur Wehr zu setzen. Und zwar auch wenn der Arbeitgeber gute, nachvollziehbare Kündigungsgründe hat. Selbst dann wird der Arbeitnehmer im Verhandlungsweg sehr oft wenigstens „das Schlimmste“ abwenden können. Die fristlose Kündigung ohne Gegenwehr hinzunehmen, ist für den Arbeitnehmer fast immer die schlechteste aller Möglichkeiten.

Warum?

Hat der Arbeitgeber wirksam fristlos gekündigt, passiert folgendes:

  • Beendigung: Das Arbeitsverhältnis ist ohne Einhalten einer Kündigungsfrist beendet.
  • Keine Vergütung: Weitere laufende Vergütung muss nicht mehr gezahlt werden.
  • Rufschaden: Die fristlose Kündigung bedeutet für den Arbeitnehmer Rufschaden.
  • Zeugnis: Das Arbeitszeugnis darf dezente Hinweise auf die fristlose Kündigung enthalten.
  • Bewerbungsschwierigkeiten: Der Arbeitnehmer kann Schwierigkeiten haben, neue Arbeit zu finden.
  • Sperrzeit: Die Arbeitsagentur kann eine Sperrzeit verhängen (12 Wochen kein Arbeitslosengeld I).
  • Schadensersatz: Der Arbeitgeber kann Schadensersatz verlangen. Dies kann beispielsweise der Mehraufwand für eine vorübergehende Ersatzkraft sein.
  • Vertragsstrafe: Der Arbeitgeber kann – je nach Arbeitsvertrag – möglicherweise eine Vertragsstrafe geltend machen
  • Verlust Wettbewerbsentschädigung: Ist im Arbeitsvertrag ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot mit einer Wettbewerbsentschädigung vorgesehen, kann der Arbeitgeber sich hiervon lossagen. Er muss dann die Wettbewerbsentschädigung nicht bezahlen.

Als Fachanwalt für Arbeitsrecht rate ich deshalb Arbeitnehmern fast immer, sich gegen eine fristlose Kündigung mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln zur Wehr zu setzen. Es gilt nämlich: Fast immer lässt sich durch eine Kündigungsschutzklage und anschließende Verhandlungen eine Verbesserung der Lage erreichen.

Was ist im Verhandlungsweg konkret durchsetzbar?

  • Sind die Prozessaussichten der Kündigungsschutzklage gut, kann der Rechtsanwalt des Arbeitnehmers häufig sogar eine hohe bis sehr hohe Abfindung als Verhandlungsergebnis durchsetzen. Bei schlechten Aussichten der Kündigungsschutzklage ist eine Abfindung meist nicht durchsetzbar.
  • Sehr häufig ist für den Arbeitnehmer die Einhaltung der Kündigungsfrist durchsetzbar.
  • Sehr häufig ist auch eine Erklärung des Arbeitgebers durchsetzbar, rückblickend halte er an bestimmten Vorwürfen nicht fest.
  • Mit einer solchen Erklärung des Arbeitgebers wird auch die Sperrzeit bei der Arbeitsagentur vermieden.
  • Sehr häufig kann ein zufrieden stellendes Arbeitszeugnis erreicht werden.

Das Blatt wendet sich, wenn die fristlose Kündigung des Arbeitgebers sich als rechtswidrig herausstellt. Um zu einer für den Arbeitnehmer akzeptablen Verhandlungslösung zu kommen, muss die Erfolgswahrscheinlichkeit einer Kündigungsschutzklage nicht einmal besonders hoch sein. Es reicht häufig schon die bloße Möglichkeit aus, dass sich die fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht aufgrund dieser oder jener Formalie oder unbewiesener Umstände schließlich als unwirksam herausstellen könnte.

Es leuchtet ein, dass unter diesen Umständen die Verhandlungslage für den Arbeitnehmer günstig ist.

Genug zur Verhandlungslage. Schauen wir uns an, wann eine fristlose Kündigung rechtlich erlaubt ist.

Wann ist eine fristlose Kündigung erlaubt?

Die fristlose Kündigung ist ausnahmsweise erlaubt, wenn Folgendes zusammenkommt:

  • Wichtiger Grund: Es muss einen wirklich schwerwiegenden Grund für die fristlose Beendigung des Arbeitsverhältnis geben. Der Grund muss so wichtig sein, dass es dem Kündigenden nicht mehr zumutbar ist, auch nur die Kündigungsfrist abzuwarten.
  • Berücksichtigung der Interessen beider Seiten: Bei der Bewertung, ob ein wichtiger Kündigungsgrund vorliegt, haben die Gerichte nicht nur den Kündigungsanlass zu bewerten. Die Arbeitsgerichte müssen auch die konkreten Interessen beider Seiten angemessen berücksichtigen. Dies bedeutet: Auch entlastende Umstände sind zu bedenken. Soziale Erwägungen sind von Bedeutung. Vor allem eine lange Dauer des Arbeitsverhältnisses kann dazu führen, dass eine fristlose Kündigung trotz schwerwiegender Vorkommnisse eben doch nicht möglich ist.
  • Zweiwochen-Frist. Eine fristlose Kündigung kann nur innerhalb einer zweiwöchigen Kündigungserklärungsfrist ausgesprochen werden. Die Frist beginnt, sobald der Kündigungsgrund bekannt ist. Muss der Kündigungsgrund erst recherchiert werden, beginnt die Zweiwochenfrist nach dem Abschluss der Aufklärungsmaßnahmen. Dieser Aufschub gilt allerdings nur, solange zügig recherchiert wird. Bleiben die Recherchen liegen, beginnt die Zweiwochenfrist zu laufen.

In der Praxis scheitern die meisten fristlosen Kündigungen.

Wenn Sie einverstanden sind, besehen wir uns die Gründe etwas genauer:

Schritt 1: Was ist ein ausreichender wichtiger Grund?

Die Arbeitsgerichte gehen von Folgendem aus:

  • Rechtswidriges Verhalten: Grund für eine fristlose Kündigung kann regelmäßig nur ein rechtswidriges Verhalten sein. Nicht jede Eigenart eines Arbeitnehmers und nicht jedes Verhalten ist ein Kündigungsgrund. Bloße Ungeschicklichkeiten taugen nicht als Kündigungsgrund. Allerdings kann eine außerordentliche Kündigung ausnahmsweise auch dann gerechtfertigt sein, wenn ein Arbeitnehmer schuldlos – etwa wegen einer psychischen Erkrankung – ein rechtswidriges Verhalten zeigt, dass sich im Arbeitsverhältnis schwerwiegend nachteilig bei dem Arbeitgeber auswirkt.
  • Störungen, die sich nicht auswirken, sind unerheblich: Das Verhalten des Arbeitnehmers muss sich konkret im Arbeitsverhältnis ausgewirkt haben. Es muss zu konkreten Beeinträchtigungen des Arbeitsverhältnisses gekommen sein. Ist dies nicht so, dann ist das störende Verhalten des Arbeitnehmers kein Kündigungsgrund (BAG vom 07.07. 2005 – 2 AZR 581/04; BAG vom 20. 9. 1984 – 2 AZR 633/82; BAG vom 17. 03. 1988 – 2 AZR 576/87).
  • Wahrscheinlichkeit künftiger Störungen: Es kommt darauf an, ob künftige Störungen des Arbeitsverhältnisses zu erwarten sind. Ausgehend von den bisherigen Störungen müssen die Arbeitsgerichte abschätzen, inwieweit zukünftig mit neuen Störungen gerechnet werden muss. Ohne solche Negativprognose ist eine außerordentliche Kündigung nicht gerechtfertigt (BAG vom 09.03.1995 – 2 AZR 497/94; BAG vom 09.01.1986 – 2 ABR 24/85).
  • Grundsatz der Verhältnismäßigkeit: Die Kündigung darf auch nicht “unverhältnismäßig sein”. Sie muss geeignet und erforderlich sein, um zukünftige Störungen zu vermeiden. Sie muss unter Zumutbarkeitsgesichtspunkten das “letzte Mittel” sein (BAG v. 17. 2. 1994 – 2 AZR 616/93, AP Nr. 116 zu § 626 BGB).

Beispiele: Kündigungsgründe für eine fristlose Kündigung

Die Gerichte bilden zu Vereinfachungszwecken gern so genannte „Fallgruppen“. Typische Situationen können so schneller eingeschätzt werden, ob sie einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen – oder es keinen genügenden Kündigungsgrund gibt. Auch in meiner Praxis als Fachanwalt für Arbeitsrecht gibt es immer wieder ganz typische Situationen, die zum Anlass für eine fristlose Kündigung genommen werden (sollen).

  • Arbeitsfehler: Arbeitsfehler können grundsätzlich ein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Es kommt vor allem darauf an, ob die Arbeitsfehler die Vertrauensbasis des Arbeitsverhältnisses berühren oder es sich lediglich um arbeitstechnische Fehlleistungen handelt.
  • Unzureichende Arbeitsgeschwindigkeit: Wird kaum je ein ausreichender Grund für eine fristlose Kündigung sein können. Mögliche Ausnahme: Der Arbeitnehmer arbeitet bewusst zu langsam. Dies dürfte sehr selten nachweisbar sein.
  • Selbstbeurlaubung: Arbeitnehmer, die ohne Urlaubsbewilligung durch den Arbeitgeber in den Urlaub reisen, können in der Regel fristlos gekündigt werden. Ausnahme: Der Arbeitnehmer hat den Urlaub rechtzeitig beantragt und rechtzeitiger gerichtlicher Rechtsschutz zur Durchsetzung des Urlaubs ist nicht möglich (Beispiel: Arbeitnehmer befindet sich ohne Telekommunikationsmöglichkeit in einem fernen Land im Auslandseinsatz).
  • Fehlende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung: Der Vorwurf der Arbeitsverweigerung wegen fehlender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist zwar gängige Praxis. Dies funktioniert aber nicht. Die Kündigung ist dann fast immer chancenlos: Reicht ein erkrankter Arbeitnehmer keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ein, dann ist dies keine Arbeitsverweigerung.
  • Zuhausebleiben nach Versetzung: Arbeitnehmer, die mit einer Versetzung nicht einverstanden sind bleiben unter Umständen einfach zuhause. Eine Kündigung ist selbst dann nicht ohne Weiteres berechtigt: Die Arbeitsverweigerung kann nämlich rechtlich gerechtfertigt sein – insbesondere dann, wenn der Betriebsrat der Versetzung nicht zugestimmt hat.
  • Verweigern von Arbeitsanweisungen: Die hartnäckige Weigerung, Arbeitsanweisungen nachzukommen, kann Grund für eine fristlose Kündigung sein.
  • Kritik: Sachliche Kritik des Arbeitnehmers am Arbeitgeber ist grundsätzlich durch die Meinungsäußerungsfreiheit geschützt. Es handelt sich nicht um einen Kündigungsgrund.
  • Schwere Beleidigungen: Schwere Beleidigungen gegen den Arbeitgeber, Vorgesetzter oder Kollegen können ein Grund für eine fristlose Kündigung sein. Zu beachten ist aber: Sachliche Kritik, auch zugespitzte Sachkritik, ist noch kein Kündigungsgrund. Die vom Grundgesetz geschützte Meinungsäußerungsfreiheit gilt auch im Arbeitsverhältnis.
  • Lügen: Grob lügenhafte Äußerungen eines Arbeitnehmers über Umstände, die für den Betrieb oder den Arbeitsablauf von Bedeutung sind, können ein Grund für eine fristlose Kündigung sein.
  • Rückfragen / Beschwerden: Rückfragen und Beschwerden sind Arbeitnehmern regelmäßig erlaubt. Arbeitnehmer dürfen nicht benachteiligt werden, wenn sie von ihrem Beschwerderecht Gebrauch machen.
  • Angekündigte Krankheit: Ein Grund zur fristlosen Kündigung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer ankündigt, er werde, wenn er nicht frei bekomme, dann eben krankfeiern. Das Problem für den Arbeitgeber: Ein Arbeitnehmer der sich gesundheitlich geschwächt fühlt, darf natürlich mitteilen, dass er nicht sicher ist, ob er in den nächsten Tagen noch zur Arbeit kommen kann. Vor den Arbeitsgerichten ist es sehr mühsam, die verbotene Vorgehensweise (Ankündigung von Krankfeiern) von der erlaubten Vorgehensweise (Hinweis auf drohende Gesundheitsverschlechterung) zu unterscheiden.
  • Fehlende Krankmeldung: Nur in Ausnahmefällen ein Grund für eine fristlose Kündigung ist es, wenn ein Arbeitnehmer seiner Rechtspflicht zur rechtzeitigen Krankmeldung nicht nachkommt. In der Regel reichen solche Versäumnisse nicht für eine fristlose Kündigung aus. Dazu kommt: Der Arbeitgeber muss beweisen, dass der Arbeitnehmer sich nicht krank meldete.
  • Fehlende Krankenscheine: Nur ausnahmsweise ein Grund für eine fristlose Kündigung ist es, wenn ein Arbeitnehmer seiner Rechtspflicht nicht nachkommt, dem Arbeitgeber rechtzeitig Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen einzureichen. In der Regel reicht dies nicht für eine fristlose Kündigung aus. Kann der Arbeitnehmer darstellen, wann und wie er die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung eingereicht haben will, muss der Arbeitgeber das Gegenteil beweisen.
  • Verweigerte Kommunikation während Krankheit: Es gibt Branchen, in denen Vorgesetzte die erkrankten Arbeitnehmer während der Erkrankung telefonisch anrufen. Hierbei gilt: Arbeitnehmer brauchen nicht mit Vorgesetzten während einer Erkrankung telefonieren. Bei unaufschiebbaren Notfällen können Arbeitnehmer zwar rechtlich verpflichtet sein, Hinweise zu geben (etwa: Wie das verloren gegangene Passwort für den Server lautet). Solche Hinweise müssen Arbeitnehmer aber nicht telefonisch geben. Wer krank ist muss nicht persönlich mit dem Chef telefonieren. Kommunikation per E-Mail reicht aus. Abmahnungen oder Kündigungen wegen verweigerter Telefonate während der Krankheiten sind chancenlos.
  • Kassendiebstahl: Arbeitnehmer, die Geld aus der Kasse stehlen, können in aller Regel ohne vorherige Abmahnung fristlos gekündigt werden. Das Problem ist der Nachweis: Immer dann, wenn mehrere Personen Zugang zur gleichen Kasse haben (etwa: mehrere Verkaufskräfte, mehrere Kellner) ist typischerweise nicht mehr nachverfolgbar, wer für einen Kassenfehlbestand verantwortlich ist. In solchen Fällen ist der Arbeitgeber nahezu chancenlos.

Fast immer unverzichtbar: Die Abmahnung vor der Kündigung

Vor der fristlosen Kündigung muss in aller Regel eine Abmahnung ausgesprochen werden.

Warum?

Die Kündigung ist sonst „unverhältnismäßig“ und unwirksam. Die Arbeitsgerichte verlangen: Bevor fristlos gekündigt wird, muss ein „letzter Warnschuss“ in Form einer Abmahnung versucht werden. Wird ohne vorherige Abmahnung gekündigt, gehen die Gerichte davon aus, dass (noch) kein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vorliegt.

Allerdings: Dies gilt nicht ausnahmslos. Es gibt Ausnahmesituationen in denen die fristlose Kündigung ohne vorherige Abmahnung möglich ist.

Beispiele:

  • Schwere Pflichtverletzung, deren Hinnahme offensichtlich ausgeschlossen ist: Dies sind Pflichtverletzungen, die ausgesprochen schwer wiegend sind. Es muss klar erkennbar sein, dass eine solchen Pflichtverletzung nicht hingenommen wird („Wenn ich das jetzt tue, kann mir nur noch gekündigt werden“).
  • Eine Verhaltensänderung ist offensichtlich ausgeschlossen: Wird eine Abmahnung klar erkennbar nicht zu einer Verhaltensänderung führen, dann braucht auch nicht abgemahnt zu werden. Das Problem: Fehlt die Abmahnung, kann man nicht wissen, ob eine Abmahnung nicht doch zur Verhaltensänderung geführt hätte. Dass eine Verhaltensänderung von vornherein ausgeschlossen ist, nehmen die Arbeitsgerichte deshalb nur selten an. Anders kann es aussehen, wenn der Arbeitnehmer von sich aus ankündigt, er wolle ein bestimmtes (rechtswidriges) Verhalten in jedem Fall fortsetzen. Eine Verhaltensänderung wird auch offensichtlich ausgeschlossen sein, wenn die fristlose Kündigung bereits im Vorhinein für den Fall der Begehung einer bestimmten Tat ausdrücklich angekündigt war.

Bei der Abmahnung kann einiges schief gehen. In der Praxis zeigen sich insbesondere folgende Stolpersteine:

  • Keine „einschlägige“ Abmahnung: Nicht einschlägige Abmahnungen können zur Begründung einer Kündigung nicht herangezogen werden. Es geht um Folgendes: Es gibt bereits eine oder mehrere Abmahnungen. Diese Abmahnungen betreffen aber andere Situationen. Der Arbeitnehmer ist dann nicht vor einer Begehung des jetzt im Raum stehenden Fehlverhaltens gewarnt. Beispiel: Es gibt drei Abmahnungen wegen einer schlampigen Arbeitsweise. Die fristlose Kündigung soll nun darauf gestützt werden, dass der Arbeitnehmer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen zu spät einreicht. Wegen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ist der Arbeitnehmer aber noch nicht abgemahnt. Der Vorfall mit der fehlenden Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird zur fristlosen Kündigung wohl nicht ausreichen.
  • Unklare Abmahnungen: Abmahnungen müssen ihre Warnfunktion erfüllen. Abmahnungen erfüllen keine Warnfunktion, wenn inhaltlich unklar bleibt, welche konkreten Verhaltensweisen beanstandet sein sollen. Beispiel: „Ihr Vorgesetzter berichtete uns, dass Sie am Arbeitsplatz wiederholt Ihre Pflichten verletzten. Dies nehmen wir nicht länger hin.“. Es bleibt unklar, welches konkrete Verhalten beanstandet werden soll. Die Abmahnung hat keine Warnfunktion.
  • Fehlende Ankündigung von Folgen: Abmahnungen können ihre Warnfunktion nur erfüllen, wenn rechtliche Konsequenzen angekündigt werden. Werden keine Konsequenzen angekündigt, gibt es keine ausreichende Warnung. Beispiel: „Am 13. 07.2013 weigerten Sie sich, der Weisung Ihres Vorgesetzten Herrn Meier nachzukommen und ab mittags am Empfangsbereich zu arbeiten. Sie haben damit ihre Arbeitspflicht verletzt.“ . Hier ist zwar die Rüge klar genug formuliert. Es fehlt aber die Ankündigung, dass bei einer Wiederholung mit rechtlichen Konsequenzen zu rechnen ist. Der Sache nach handelt es sich damit nicht um eine „Abmahnung“ sondern (nur) um eine „Ermahnung“.

Schritt 2: Berücksichtigung der Interessen beider Seiten

Die Arbeitsgerichte nehmen im zweiten großen Schritt eine so genannte Interessenabwägung vor. Die Gerichte beziehen hierbei die Interessen beider Beteiligter ein. Die Interessenabwägung wird von Arbeitgebern und Arbeitnehmern häufig – mit gewissem Recht – als undurchsichtig empfunden.

Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung sind verschiedene Aspekte zu berücksichtigen.

  • Dauer des Arbeitsverhältnisses: Die Dauer der Betriebszugehörigkeit ist bei der Interessenabwägung stets zu beachten (BAG, Urteil vom 13.12.1984, 2 AZR 454/83)
  • Unterhaltspflichten nicht unbedingt: BAG, Urteil vom 02.03.1989, 2 AZR 280/88).
  • Mildere Mittel: Im Rahmen der Interessenabwägung ist auch zu berücksichtigen, ob es zumutbar ist, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzusetzen. Eine außerordentliche Kündigung ist zum Beispiel nicht gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit besteht, den betroffenen Arbeitnehmer mit seinem Einverständnis oder aufgrund einer Änderungskündigung mit anderen Aufgabe zu beschäftigen, unter Umständen auch zu schlechteren Arbeitsbedingungen (BAG, Urteil v. 30.5.1978, 2 AZR 630/76).

Schritt 3: Einhaltung der Zweiwochen-Frist

Die fristlose Kündigung kann nur innerhalb einer Zweiwochenfrist ausgesprochen werden.

Kündigungsschutzklage bei fristloser Kündigung

Arbeitnehmer können die fristlose Kündigung vor dem Arbeitsgericht überprüfen lassen.

Die Kündigungsschutzklage muss innerhalb einer Klagefrist von drei Wochen bei dem Arbeitsgericht eingehen. Die Klagefrist beginnt mit dem Erhalt der schriftlichen Kündigung. Es ist ausgesprochen sinnvoll, sich im Verfahren vor dem Arbeitsgericht durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht vertreten zu lassen.