Zurückbehaltungsrecht bei Mobbing, LAG Frankfurt, 7 Sa 535/97

Voraussetzungen, unter denen ein Arbeitnehmer seine Arbeit wegen unzumutbarer Arbeitsumstände einstellen darf (Zurückbehaltungsrecht, § 273 BGB).

Von Andreas Buschmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht

LAG Frankfurt, Urteil vom 26.08.1997, 7 Sa 535/97

Schlagwörter

Leitsätze

(Nicht amtlich)

  1. Das Fernbleiben eines Arbeitnehmers vom Dienst kann insgesamt dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer sich auf ein Zurückbehaltungsrecht bezüglich der Arbeitsleistung gem. § 273 BGB wegen einer Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers berufen kann (BAG, AP Nr. 3, 4 und 5 zu § 273 BGB; Arbeitsgericht Wiesbaden, NZA 90, 275) oder es dem Arbeitnehmer aus sonstigen Gründen, etwa wegen einer akuten Gefährdung von Leib und Leben, unzumutbar ist, seine Arbeitsleistung zu erbringen (vgl. dazu LAG Frankfurt, NZA 86, 717; Molkentin, Das Recht auf Arbeitsverweigerung bei Gesundheitsgefährdung des Arbeitnehmers, NZA 1997, 849 ff.).
  2. Liegt eine Fürsorgepflichtverletzung des Arbeitgebers vor, darf der Arbeitnehmer allerdings von seinem Zurückbehaltungsrecht erst dann Gebrauch machen, wenn er den Arbeitgeber konkret auf die Verletzungshandlung hingewiesen und ihm Gelegenheit auch in zeitlicher Hinsicht eingeräumt hat, die beanstandeten Mißstände abzustellen.

Link zum Volltext

https://dejure.org/1997,10611

Anmerkung zum Urteil von Rechtsanwalt Buschmann:

Was ist das Leistungsverweigerungsrecht?

Das Leistungsverweigerungsrecht ist in § 273 BGB Gesetzlich verankert. Kann die Arbeitsleistung nicht unter zumutbaren Arbeitsumständen erbracht werden, kann ein Arbeitnehmer berechtigt sein, die Arbeitsleistung zu verweigern, bis der Arbeitgeber zumutbare Arbeitsumstände hergestellt hat.

Worum geht es?

Das Landesarbeitsgericht stellt zutreffend klar, dass ein Verweigerung der Arbeitsleistung durch das gesetzliche Leistungsverweigerungsrecht erst dann gerechtfertigt ist, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  1. Die Arbeitsumstände müssen nicht nur misslich sondern rechtswidrig Sein. Der Arbeitgeber muss zur Änderung der Arbeitsumständen rechtlich verpflichtet sein. Da das Weisungsrecht gesetzlich nicht bei dem Arbeitnehmer sondern bei dem Arbeitgeber liegt, besteht die Gefahr, dass Arbeitsgerichte später zu der Auffassung gelangen, die Arbeitsumstände seien nicht hinreichend unzumutbar gewesen.
  2. Der Arbeitnehmer muss den Arbeitgeber konkret nachvollziehbar darauf hingewiesen haben, welche konkreten Arbeitsumstände inwiefern zu ändern sind. Bleibt dies unklar oder kann später nicht nachgewiesen werden, dass die Arbeitsumstände rechtswidrig waren, dann kann der Arbeitgeber bei einer Einstellung der Arbeitstätigkeit zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigt sein.
  3. Dem Arbeitgeber muss außerdem grundsätzlich eine zeitlich ausreichende Gelegenheit gegeben werden, die rechtswidrigen Arbeitsumstände zu beheben. Im Ausnahmefall, etwa bei konkreter Gefahr für die Gesundheit, kann dies anders sein.
  4. Der Arbeitgeber muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, dass bei ergebnislosen Ablauf der gesetzten Frist vom Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 273 BGB Gebrauch gemacht werden wird. Ohne diese Ankündigung ist eine Leistungsverweigerung nicht rechtmäßig.
  5. Hat der Arbeitgeber die Arbeitsumstände nach der Aufforderung teilweise geändert, dann droht Streit über die Frage, ob der Arbeitnehmer tZworotz der teilweisen Änderung berechtigt ist, vom Leistungsverweigerungsrecht Gebrauch zu machen.
  6. Wenn irgendeiner dieser Schritte misslingt oder die Sache von einem Arbeitsgericht später anders beurteilt wird, dann kann der Arbeitgeber zur verhaltensbedingten Kündigung berechtigt sein.

Konsequenz

Die mit dem Leistungsverweigerungsrecht gemäß § 273 BGB verbundene Gefahr einer verhaltensbedingten Kündigung wegen Arbeitsverweigerung ist relevant und schwerwiegend. Dies spricht dafür, von den Leistungsverweigerungsrecht nur dann Gebrauch zu machen, wenn praktisch keine andere Möglichkeit zur Verfügung steht. Vorrangige Maßnahmen sind möglicherweise die Geltendmachung des Anspruchs auf vertragsgerechte Beschäftigung. In der Privatwirtschaft kann außerdem von dem Beschwerderecht gemäß § 84 BetrVG Gebrauch gemacht werden. Schließlich ist zu überprüfen, ob eine einstweilige Verfügung zur vorläufigen Klärung der Beschäftigungsbedingungen beantragt werden kann.

Fundstellen

ArztR 1998, 146