Die wichtige Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.12.2003: Auch beim Abwicklungsvertrag kann eine Sperrzeit festgesetzt werden.
Von Andreas Buschmann, Fachanwalt für Arbeitsrecht
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Bundessozialgericht, Urteil vom 18.12.2003, B 11 AL 35/03
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Leitsätze
(Leitsätze formuliert von Rechtsanwalt Buschmann)
- Die bisher von der Rechtsprechung des BSG nicht entschiedene Frage, ob Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, die nach Ausspruch einer Arbeitgeberkündigung getroffen werden und die Kündigung absichern sollen, als Lösung des Beschäftigungsverhältnisses zu behandeln sind, ist im Anschluss an die Erwägungen des Senats im Urteil vom 9. November 1995 – 11 RAr 27/95 – (BSGE 77, 48, 50 = SozR 3-4100 § 119 Nr 9) zu bejahen.
- Es entspricht dem Zweck der Sperrzeitregelung, den Arbeitnehmer davon abzuhalten, sich an der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses aktiv zu beteiligen. Es kann bei einer Bewertung des tatsächlichen Geschehensablaufs unter Einbeziehung der zu Grunde liegenden Interessen der Beteiligten nicht zweifelhaft sein, dass der Arbeitnehmer auch durch den Abschluss eines sogenannten Abwicklungsvertrages, in dem er ausdrücklich oder konkludent auf die Geltendmachung seines Kündigungsrechts verzichtet, einen wesentlichen Beitrag zur Herbeiführung seiner Beschäftigungslosigkeit leistet. Dabei kann es nicht entscheidend darauf ankommen, ob eine Vereinbarung über die Hinnahme der Arbeitgeberkündigung vor oder nach deren Ausspruch getroffen wird.
- Der vorliegende Sachverhalt bietet keine Veranlassung zu einer weitergehenden Auseinandersetzung mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einer Arbeitgeberkündigung nachfolgende Vereinbarungen das Beschäftigungsverhältnis nicht im Sinne des § 144 Abs 1 Nr 1 SGB III lösen. Eine Ausnahme könnte sein, wenn in einer nach Ablauf der Frist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage (§ 4 Kündigungsschutzgesetz) und ohne vorherige Absprachen oder Ankündigungen getroffenen Vereinbarung lediglich Einzelheiten zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses geregelt werden. Solche Vereinbarungen werden häufig keine Regelungen in Beziehung zur Kündigung treffen. Ferner könnte eine besondere Betrachtung für Vereinbarungen geboten sein, die ohne vorherige Absprache in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren geschlossen werden, weil den Arbeitnehmer keine Obliegenheit des Arbeitslosenversicherungsrechts zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage trifft.
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Anmerkung zum Urteil von Rechtsanwalt Buschmann:
Was ist ein Abwicklungsvertrag?
Beim Abwicklungsvertrag kündigt der Arbeitgeber, erst danach treffen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Vereinbarung, den sogenannten Abwicklungsvertrag. Im Abwicklungsvertrag nimmt der Arbeitnehmer die Kündigung hin und erhält als Gegenleistung eine Abfindung.
Worum geht es beim Abwicklungsvertrag?
Arbeitnehmer, die einen Aufhebungsvertrag mit ihrem Arbeitgeber abschließen, erhalten regelmäßig eine zwölfwöchige Sperrzeit beim Bezug von Arbeitslosengeld I. Bis zur Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.12.2003, wollten findige Juristen dies vermeiden, den sie die Konstruktion des sogenannten Abwicklungsvertrag erfanden. Die Idee war, dass ein Arbeitnehmer beim Abschluss eines Abwicklungsvertrags die Kündigung des Arbeitgebers nur passiv „akzeptiert“, nicht aber selbst aktiv das Beschäftigungsverhältnis löst. Die Arbeitsämter verhängten nach der seinerzeitigen Praxis eine Sperrzeit nur, wenn eine Aufhebungsvereinbarung zeitlich vor der Kündigung oder anstelle einer Kündigung getroffen wurde. Der „Trick“ mit dem Abwicklungsvertrag funktionierte bis zur Entscheidung des Bundessozialgerichts.
Hiermit ist es vorbei. Aufgrund der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 18.12.2003 dürfte der klassische Abwicklungsvertrag zukünftig in in jeder Gestaltungsform zur Sperrzeit führen.
Konsequenz: Einigung im Kündigungsschutzprozess statt Abwicklungsvertrag
Arbeitnehmern dürfte wenig anderes übrig bleiben, als Kündigungsschutzklage zu erheben und erst vor dem Arbeitsgericht eine Einigung in Form eines Abfindungsvergleichs zu treffen.